Wusstest du, dass bei mindestens eine Milliarden Menschen eine Sehbeeinträchtigung hätte verhindert werden können oder zumindest behandelt werden könnte?Wir (auch) nicht. Doch seitdem wir das Startup Custom Surgical seit Anfang des Jahres zu unserer WERK1 Community zählen dürfen, sind wir in dieser Hinsicht eines Besseren belehrt worden.
The Eye of the Tiger – Wer steckt hinter dem Startup?
Federico, der Gründer von Custom Surgical, ist in Kolumbien aufgewachsen, besuchte dort ein deutsches Gymnasium und absolvierte seinen Mechatronik Bachelor. Bereits während seines Studiums befasste er sich mit medizinischen Geräten in der Technologiebranche, in der er dann weitere acht Jahre tätig war. Er arbeitete zusammen mit weltbekannten Unternehmen wie Leica und Johnson & Johnson und konnte sich so ein Expertenwissen im Bereich MedTech aneignen. Als Ingenieur und Medizintechniker in Lateinamerika unterstützte er Ärzte in der Anwendung von medizinischen Geräten der Augenmedizin. Er half ihnen solange, bis die Ärzte die Geräte auch eigenständig nutzen konnten.
Um den Markt der Augenmedizin zu erkunden reiste er nicht nur in die USA, Schweiz oder nach Deutschland, sondern auch in Länder, in denen die medizinische Versorgung nicht dem Standard entspricht, wie wir es in Europa gewohnt sind. Diese Erfahrung benennt Federico als “Geburtsstunde” seines Startups.
Die Idee begann vor ungefähr vier Jahren Gestalt anzunehmen. Nachdem er in Chile einen Entrepreneur Award gewann, waren die Grundsteine für das Startup gelegt. Die Idee sowie die Marke konnten verwirklicht werden. Der Prototyp stand und um sein Wissen auch im Softwarebereich zu erweitern, zog Federico nach Deutschland. Er startete sein Masterstudium in Biomedical Computing an der Technischen Universität München. Hier lernte er auch seine für ihn wichtigsten Teamkollegen kennen – die Ingenieure. Das internationale Team von Custom Surgical umfasst mittlerweile zehn Mitarbeiter, von denen acht Spanisch sprechen. Ihre Unternehmenssprache ist Englisch.
Was Custom Surgical bietet
Das Produkt besteht eigentlich aus zwei Teilen: einer Hardware und einer Software.
Die Hardware
Die Hardware wird mit Hilfe eines 3D-Druckers hergestellt und bildet das Verbindungsstück zwischen einer Smartphone Kamera und einem regulären Mikroskop. Es ermöglicht nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die Visualisierung des Mikroskops und somit eine Übertragung auf das Smartphone.
Alles, was durch das Mikroskop zu sehen ist, ist nun auch durch das Verbindungsstück über das Smartphone zu sehen. Dadurch kann:
- Weltweit gestreamt werden.
- Aufnahmen sowie eine Datenbasis geschafft werden, die dann in einer Cloud sofort geteilt und gespeichert werden können.
- Die Aufnahmen können zudem in Echtzeit mit Kolleginnen und Kollegen geteilt und Zweitmeinungen eingeholt werden.
Der 3D-Druck bringt einige Vorteile mit sich. Zum einen kann die Kundin/der Kunde das Verbindungsstück selbständig produzieren. Zum anderen sind Anpassungen an das Kundenbedürfnis schnell umsetzbar und ohne einen Kostenaufwand möglich.
Die Software
Der wichtigste Teil ihres Produkts ist dennoch die Software. Diese beinhaltet beispielsweise Bildüberlagerungen, die auf die Live-Aufnahme gespiegelt werden können, um Hilfestellungen während Operationen zu geben. Mit spezifisch erstellten Guides können beispielsweise Schnittlinien oder Wellenbewegungen durch das Mikroskop eingeblendet werden. Derzeit wird diese Software zum Trainieren der OP-Ärzte verwendet. Sie können akkurater und erprobter in diesem Bereich werden und somit in Zukunft effizienter und zeitsparender arbeiten. In Zukunft soll diese Technologie als fester Bestandteil im OP-Alltag etabliert werden.
Aber warum das Ganze?
Das Hauptproblem findet sich in der Diagnose und darin, dass die Technologien hierfür zu teuer sind. Viele Menschen können sich keine Diagnose, geschweige denn eine Behandlung leisten. Und das nur deshalb, weil diese Menschen nicht am richtigen Ort geboren wurden oder es an diesen Orten keine bezahlbaren Mikroskope gibt.
In Ländern wie Deutschland, USA oder Japan arbeiten Kliniken mit großen Universitäten eng zusammen. Probleme werden in den Universitäten ermittelt und Lösungen durch private Unternehmen an die Klinik verkauft. So zielgerichtet kann dieser Prozess aber nur in gut entwickelten Ländern ablaufen. In vielen Ländern Lateinamerikas, Afrikas oder Asiens ist dies nicht denkbar. Custom Surgical möchte das ändern! Sie wollen sicherstellen, dass kein Mensch unter einer Sehbehinderung leiden muss, nur wegen einer fehlenden Diagnose. Das nennen wir mal eine großartige Mission!
Abre Los Ojos – Chancen trotz oder Dank Pandemie
Corona hat dem Team um Federico einige Chancen geboten, die es auch genutzt hat. Viele Menschen haben verstanden, dass die virtuelle Welt so viele Möglichkeiten bietet und haben somit auch auch den Mehrwert der Custom Surgical Software erkannt.
Aber das Team hat nicht nur ihr eigentliches Produkt weiterentwickelt. Zu Beginn der Pandemie haben sie außerdem eine Schnorchelmaske umfunktioniert. Mit ihr besteht für Menschen, die in Kontakt mit Infizierten sind, kein Ansteckungsrisiko. Die Schnorchelmaske haben sie mit 3D gedruckten Teilen so umfunktioniert, dass bei der Luftzufuhr medizinische Filter jede Art von Viren herausfiltern. Mit diesem Projekt sind sie auf die Bedürfnisse der Menschen in einer herausfordernden Zeit eingegangen. Ihre Webseite erreichte innerhalb eines Monats 50.000 Visits. Über 10.000 Personen in 140 Ländern haben das kostenlose Design runtergeladen, um den Adapter selbständig mit einem 3D-Drucker herzustellen. Tolle Idee, mit einer unfassbaren Wirkung. Das eigentliche Optischesystem (MicroREC) hat Custom Surgical bereits 400 Mal in 36 Ländern verkauft.
Das WERK1 – Liebe auf den ersten Blick
Federico besuchte vor 18 Monaten die Startup Safari und das WERK1 Frühstück. So lernte er das WERK1 kennen und seit Anfang 2021 zählt Custom Surgical zu unserer Community. Seiner Meinung nach bietet das WERK1 viel mehr als nur ein Büro und Platz zum arbeiten. Für ihn stellt der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen von BayStartup einen großen Pluspunkt dar, vor allem in den Finanzierungsrunden. Aber auch die Möglichkeit des Mentoring Programms, der Austausch mit anderen Startups in ähnlichen Bereich und das Netzwerken sind für ihn essenziell.
Muchas gracias y hasta luego! 😉